Graduiertentagung 2012:
Ein bisschen Frieden? Der Wunsch nach Frieden und seine Manifestationsformen in den 1980er Jahren
03.–05. August 2012, Universität Augsburg
Organisatoren
Philipp Baur, M.A., Lehrstuhl für die Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums (GETK)
philipp.baur@phil.uni-augsburg.de
Dr. des. Stefan Hartmann, Lehrstuhl für Kunstgeschichte/Bildwissenschaft
stefan.hartmann@phil.uni-augsburg.de
Programm
> PDF
> Konferenzbericht
Partner
Forschungsprojekt: „Die Nuklearkrise: Transatlantische Friedensbewegung, Nachrüstung & Zweiter Kalter Krieg, 1975-‐1990“ (www.nuclearcrisis.org)
Graduiertenschule für Geistes-‐ und Sozialwissenschaften (GGS), Universität Augsburg
Forum Populärkultur: Interdisziplinäres Forschungsnetzwerk der Universität Augsburg
Projektbüro „Frieden und Interkultur“, Kulturamt der Stadt Augsburg
Förderer
Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg e.V.
Archiv Grünes Gedächtnis/Heinrich-‐Böll-‐Stiftung/ Berlin
Leopold Mozart Zentrum der Universität Augsburg
Anmeldung bis 20. Juli bei Stefan Hartmann: stefan.hartmann@phil.uni-augsburg.de
Zum Thema
Die reale nukleare Bedrohung ‚vor der eigenen Haustür‘ machte Frieden Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre zum zentralen Thema in Politik und Gesellschaft, in Kunst und (Populär)Kultur. Nach einer Phase der Entspannung läutete die Kontroverse um den Nato- Doppelbeschluss von 1979 die letzte Phase des Kalten Krieges (des oft sogenannten „Zweiten Kalten Krieges“) ein. Die einsetzende Debatte um die Nachrüstung in Ost und West mobilisierte nicht nur in der Bundesrepublik hunderttausende von Menschen, die für weit mehr als nur „Ein bisschen Frieden“ (Nicole, 1982) auf die Straße gingen. Allen Protesten zum Trotz entschied sich die Regierungskoalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl Ende November 1983 für die Bündnistreue zur NATO und autorisierte die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles-Marschflugkörpern. Die Friedensbewegung schien damit zumindest an ihren kurzfristigen Zielen („Frieden um jeden Preis“) gescheitert zu sein. Erst der INF-Vertrag von 1987 (Vernichtung aller atomar bestückten Mittelstreckenraketen) führte zu der erhofften Abrüstung.
Retrospektiv wird deutlich, dass es in der Nachrüstungsdebatte um weit mehr ging als nur militärische oder diplomatische Fragen: Der mannigfaltige Wunsch nach Frieden markierte ein zentrales Moment gesellschaftlicher wie politischer Selbstverständigung. Im Zuge der Nachrüstungsdebatte wandelte sich nicht zuletzt durch den erstmaligen Einzug der Grünen in den Bundestag die politische und parlamentarische Kultur der Bundesrepublik. Gleichzeitig konnten sich auch die Nachrüstungsbefürworter auf Seiten der bürgerlichen Regierungskoalition einer öffentlichen wie internen Debatte um Frieden und Freiheit nicht entziehen. Das heterogene Spektrum der Friedensbewegung und die öffentliche Diskussion verdeutlichen, wie das Thema die deutsche Gesellschaft auf voller Breite mobilisierte und politisierte. Darüber hinaus fand die Problematik der nuklearen Bedrohung quer durch alle Medien Eingang in die Populärkultur.
Die Tagung beschäftigt sich mit den Forme(l)n und Medien der Darstellung und Propagierung von ‘Frieden’ und stellt drei Leitfragen ins Zentrum. Sie fragt erstens nach den Feind- und Weltbildern, die mit diesen Prozessen verbunden waren:
I. Feind- und Weltbilder
1. Welche Stereotype und Topoi von Feindbildern lassen sich im Zuge der Propagierung von Frieden eruieren? Worauf wurde rekurriert, worauf reagiert?
2. Welche Weltbilder wurden vertreten?
3. Welche sprachlichen, literarischen, ikonographischen, ästhetischen, musikalischen und habituellen Forme(l)n kamen zur Anwendung?
4. Welche Überschneidungen/Gemeinsamkeiten lassen sich hierbei über die Disziplinen-/Gattungsgrenzen und die tradierte Trennung von Hoch- und Trivial- bzw. Populärkultur hinweg beobachten?
In diesem Zusammenhang gilt es auch, die jeweiligen Akteure und deren spezifische institutionelle, ideengeschichtliche und (kultur-)historische Kontexte zu betrachten: Politische Parteien und einzelne Politiker, die Medien, die Kirchen und christlichen Gruppierungen, Künstler, Musiker, Regisseure, Schriftsteller, Wissenschaftler und die Aktivisten der Friedensbewegung – sowohl im „Westen“ wie im „Osten“.
Die zweite Leitfrage zielt auf die Klärung der Selbstbilder sowie die Formen und Medien der Selbstdarstellung von Kollektiven und Individuen:
II. Selbstbilder und Selbstinszenierung
5. Welche Muster und Forme(l)n lassen sich hier beobachten? Wie hat man sich selbst als „friedlich“ konstruiert?
6. Entwickelten sich beispielsweise ein spezifischer sprachlicher Code und eine eigene Kleidungsikonographie der “Protestkultur“?
7. Welche Symbolsprache wurde in der Friedensbewegung oder in der Friedensforschung verwendet?
8. Gab es z.B. ästhetische Rekurse auf die “68er“-Bewegung?
Im Kontext beider Leitfragen ist nach der Bedeutung von ‚Kurswechseln‘ – etwa von Parteien, einzelnen Politikern und Aktivisten zu fragen.
9. Führten solche Kurswechsel auch zur Übernahme der jeweiligen Selbst- und Fremdbilder sowie der zugehörigen Forme(l)n und Ästhetiken ihrer Darstellung? Oder wurde in dieser Hinsicht nach Alternativen gesucht?
Die dritte Leitfrage ist dem „Nachleben“ der Friedensbewegung im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gewidmet: In Anbetracht des aktuellen Diskurses um die Atomkraft, des globalen Kampfes gegen den Terrorismus („Achse des Bösen“), aber auch angesichts der Planungen für einen Raketenschild, der in der Ära Bush forciert wurde, ergeben sich unter anderem die folgenden Fragen:
III. Nachleben der Friedensbewegung in der Gegenwart
10. Gab oder gibt es unter einer neuen Generation von Akteuren Rekurse auf die Forme(l)n und Strategien der achtziger Jahre? Spielen beispielsweise Akteure der Friedensbewegung der achtziger Jahre eine aktive Rolle?
11. Falls ja: worauf wird rekurriert? Konkret: Ist die Übernahme von Forme(l)n und bestimmten Strategien an das Zitieren der ursprünglichen Ästhetik gekoppelt? Oder umgekehrt: Wird auf bestimmte Ästhetiken rekurriert, die mit neuen Forme(l)n und Inhalten verbunden wird?
Die Konferenz wird von einem kulturellen Rahmenprogramm (Augsburger Friedensfest) begleitet und findet in den Tagungsräumen des Annahofes im Zentrum von Augsburg statt.
Weitere Informationen dazu in Kürze auf der Tagungshomepage